Aufgrund der Kontinentalverschiebung und anderer globaler Einflüsse unterliegen die erdverbundenen ITRS-Stationen einer ständigen Positionsänderung. So bewegt sich die eurasische Platte, welche auch Österreich beinhaltet, um etwa 2.5 cm/Jahr in Richtung Nordost.
Um sich deshalb von den ständigen Koordinatenänderungen zu lösen, wurde für Europa ein Datum festgelegt, welches sich nur auf Stationen auf der eurasischen Platte stützt. Im Jahr 1987 im Rahmen der IAG die EUREF (European Reference System) Subkommission geschaffen, deren Aufgabe die Entwicklung, die Realisierung und der Betrieb eines europäischen Referenzsystems darstellt. Im Jahre 1990 wurde auf dem EUREF-Symposium in Florenz ein 3D-System für Europa definiert.
Dieses ETRS89 (European Terrestrial Reference System 1989) leitet sich vom globalen Koordinatensystem ITRS ab, indem zum Zeitpunkt 1989.0 die Koordinaten von 17 Referenzstationen aus dem ITRS übernommen wurden.
Für jede Realisierung des ITRS (ITRFyyyy) gibt es theoretisch auch eine Realisierung des ETRS89 (ETRFyyyy), welche sich aus den Koordinaten jener Stationen ableitet, die laut Definition auf der eurasischen Platte liegen. So wie die Realisierungen des ITRS Koordinatenänderungen aufweisen, besitzen die einzelnen Realisierungen des ETRS89 ebenfalls Differenzen von mehreren Zentimetern. Da diese Referenzsprünge im nationalen System durch Nachziehen aller abgeleiteten Koordinaten aus Kostengründen nicht angebracht werden können, wurde von EUREF ein Kompromiss gefunden, der ETRF2000 in Zukunft für die Landesvermessungen als Referenz empfiehlt. Alle späteren Realisierungen des ITRS (dzt. ITRF2008) werden mithilfe von derzeit 95 Stationen auf ETRF2000 transformiert, sodass zwar verbesserte Koordinaten entstehen, die Referenz (eurasische Platte) aber „eingefroren“ bleibt. Grundlage für die Realisierung von ETRS89 in Europa ist seit 1996 das EPN (EUREF Permanent Network). Es handelt sich dabei um etwa 200 permanente GNSS Stationen mit öffentlich zugänglichen Daten, welche nach den Vorgaben der EUREF Kommission betrieben werden.
Auf nationaler Ebene wurde das EPN weiter verdichtet (siehe Abbildung 20). Die Realisierung von ETRS89 in Österreich ist ein mehrstufiges Verfahren, welches sich aus den folgenden Hierarchieebenen zusammensetzt:
Im Jahre 2003 wurde der EUREF Subkommission eine Koordinatenlösung für 11 Punkte (10 Permanentstationen und 1 Epochenstation) in Österreich für die GPS-Woche 1176 (Juni 2002) vorgelegt, welche nach den damals gültigen Kriterien eine ETRS89 Koordinatenberechnung beinhaltete. Diese Berechnung, basierend auf ETRF2000, wurde als eine dem internationalen Standard entsprechende Realisierung von ETRS89 akzeptiert und ist als Lösung EUREF Austria 2002 (exakt: ETRS89/ETRF2000 Austria 2002.56) in der Resolution 1 von EUREF aus 2003 bestätigt worden. Allerdings ist diese Lösung obsolet, da seit November 2006 und seit Juni 2010 international andere Modelle für Troposphäre und Antennenkorrekturen gelten, welche vor allem die Höhenkomponente der Koordinaten verändert haben. Es wurde jedoch beschlossen, die Referenz von EUREF Austria 2002 beizubehalten und nur die Koordinaten einzelner Stationen bei Abweichungen über einen gewissen Betrag von mehreren Zentimetern zu ändern. Jede modernere Lösung wird daher mittels einer Helmert-Transformation (6 Parameter ohne Maßstab) auf idente Punkte von EUREF Austria 2002 transformiert.
APOS (Austrian Positioning Service) ist der GNSS-Echtzeitpositionierungs-Service des BEV. Er nutzt ein Netz von GPS/GNSS-Permanentstationen in Österreich, und zusätzliche GPS/GNSS Permanentstationen im grenznahen Ausland. Die APOS Permanentstationen ermöglichen die Realisierung von ETRS89 in Österreich. Sieben dieser Stationen waren auch bereits in der international akzeptierten Lösung ETRS89 Austria 2002 enthalten. Sie werden aus den Zeitreihen der einzelnen Stationen vom Jahr 2000 bis zur Gegenwart bestimmt, und auf eine modifizierte Lösung von EUREF Austria 2002 transformiert.
Die Koordinaten der APOS Stationen werden im Rahmen des AMON einer wöchentlichen Kontrolle nach den Standards des EPN unterzogen. Nach Abschluss eines kompletten Jahres werden alle Messdaten des Jahres in einer gemeinsamen Auswertung zu einer Mehrjahreslösung zusammengefasst und Koordinaten und Geschwindigkeiten geschätzt.
Diese 87 Epochenstationen wurden seit 1990 vom BEV in Zusammenarbeit mit der ÖAW zum Zwecke des Monitorings von geodynamischen Vorgängen in ganz Österreich vermarkt, wobei die Punktdichte in speziell ausgesuchten tektonischen Zonen erhöht wurde. Die Messungen erfolgten mit einer Beobachtungsdauer von mehr als 24 Stunden, typischerweise 2-3 Tagen. Als Messpunkte wurden in erster Linie Nebenpunkte zu Triangulierungspunkten in Fels oder Beton neu stabilisiert. Im Jahre 1997 wurden erste Ergebnisse veröffentlicht. Die Lösungen der AGREF Kampagnen wurden vom BEV in den Referenzrahmen EUREF Austria 2002 transformiert.
Diese Stationen wurden 1996 von der GPS-Netz Ziviltechniker GmbH, eine über eine Initiative der BAIK (Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten) gegründete Arbeitsgemeinschaft, bestimmt, wobei es sich um ca. 300 Punkte handelt. Im Jahre 2002 wurden die Ergebnisse von AREF durch das BEV übernommen. In den Jahren 2004-2009 wurde die Qualität der Erstmessung durch Kontrollmessungen geprüft (Messdauer > 24 h), wo erforderlich verbessert, und in den österreichischen Referenzrahmen EUREF Austria 2002 eingerechnet. AGREF und AREF wurde ab 2007 bis heute mit Messungen von ca. 24 Stunden überprüft.
Die 35 Punkte des TIREF (Tyrolean Reference Frame) wurde von der Tiroler Landesregierung gemessen, und die Messdaten im Zuge eines Leistungsausgleiches vom BEV im Jahr 2000 übernommen. Sie wurden in den Referenzrahmen EUREF Austria 2002 eingerechnet.
APOS besitzt eine Doppelfunktion bei der Realisierung von ETRS89 in Österreich. Einerseits bilden die Referenzstationen von APOS die höchste Hierarchiestufe in der Realisierung von ETRS89 in Österreich. Durch die Bereitstellung von GNSS Messdaten der Referenzstationen im RINEX-Format dienen sie gleichzeitig auch als Referenzpunkte für alle mit diesen RINEX-Daten durchgeführten Berechnungen. Andererseits sind die APOS-Stationen auch die Grundlage für den Echtzeitpositionierungsdienst des BEV, welcher am Rover-Messgerät direkt ETRS89-Koordinaten auf der Basis von EUREF Austria 2002 liefert.
Die Summe aller Messpunkte, sowohl Permanentstationen als auch Epochenstationen (Stationen mit Beobachtungsdauer von mehr als 24 Stunden), welche das ETRS89 in Österreich realisieren, wird als das österreichische Grundnetz bezeichnet. Die Verteilung der ca. 430 Punkte ist aus der nachstehenden Abbildung ersichtlich.
Alle Punkte besitzen Messungen von mindestens 24 Stunden und eine Lagegenauigkeit von ca. 1cm.
Ausgehend von den Punkten des Grundnetzes werden vom BEV sämtliche Festpunkte 1. – 6. Ordnung im System ETRS89 bestimmt. Diese bilden die Basis für eine Überführung sämtlicher im System MGI/GK geführten Produkte in das System ETRS89/UTM. Die Bestimmung der ETRS89-Koordinaten der Festpunkte 1. - 6. Ordnung wird vom BEV als Neurechnung des Festpunktfeldes bezeichnet.
Die Bestimmung der Festpunkte 6. Ordnung (Einschaltpunkte) erfolgt durch kontrollierte Mehrfachmessungen mit dem APOS-Echtzeitsystem.
Die Bestimmung der Festpunkte 1.-5. Ordnung (Triangulierungspunkte) erfolgt in zwei Schritten: